Vom Digitalisieren der Bücher bis zur Internetplattform
«Peter Struve: Bücher, Handeinträge, Manuskripte»
Maria Zhukova

Das Leben von Peter Struve und seine Tätigkeiten sind nicht nur mit St. Petersburg verbunden. Er entstammt einer berühmten Astronomenfamilie (sein Großvater Wilhelm Struve war der erste Direktor des Pulkovo-Observatoriums), wurde in Perm geboren, in seinen Schuljahren lebte er teilweise (1789–1882) in Stuttgart, wo er später, 1901–1903, die Zeitschrift "Osvobozhdenie"/"Die Befreiung" herausgab. 1891–1892 studierte er an der Universität Graz, und nach der Emigration 1918 lebte er in London und Paris, war Direktor des Ökonomischen Instituts in Sofia, unterrichtete in Belgrad und Prag.

Nicht weniger vielfältig ist die Geographie der Archive, die die Nachlässe von Struve beherbergen. Das "Aleksandr-Solschenizyn-Haus des Auslandsrussentums" in Moskau bewahrt einige biographische Materialien, unter anderem die Briefe von Struve an seine Frau und seine Söhne.

Im Hauptstaatsarchiv Stuttgart findet man Dokumente, die mit der Herausgabe der Zeitschrift "Die Befreiung" verbunden sind. Materialien zu Struve gibt es in Stanford und Amsterdam. In den letzten Jahrzehnten zeichnet sich die Entwicklung des Bibliothekswesens durch die Ankunft der neuen Technologien und die ansetzende Tendenz zur Übertragung der gewohnten Büchermaterialität in die digitalen Sphären. Wie sind die Möglichkeiten der Polytechnischen Universität in diesem Bereich?

Struve hielt sich selbst für den "Zögling", die "Erschaffung des Instituts". Könnte die heutige Universität eine Art "Herberge", "Speicherstätte" für den Lebens- und Werknachlass ihres berühmten Zöglings werden? Könnte man generell alle in der Welt zerstreute Materialien zu Struve zusammenbringen?

Natalia Sokolova

Natürlich wäre es kaum möglich, alle Materialien zu Struve, die in unterschiedlichen Staaten und Städten behutsam aufbewahrt werden, zusammenzubringen. Auf jeden Fall nicht, wenn man an die traditionelle Form der Aufbewahrung und der Arbeit mit den Dokumenten denkt. Dagegen eröffnen sich im digitalen Raum ganz andere Möglichkeiten.

Die Digitale Darbietung und Überlieferung von Information hat die Methoden und Prinzipien der Erschließung bestimmter thematischer Ausrichtungen vollkommen verändert. Das betrifft auch das Leben und Werk von Struve. Sie erlauben es, digitalisierte Dokumente, Erinnerungen, Fotografien und andere Ressourcen an einem Standort zu vereinen und durch Links zu vernetzen. Dabei können die Ressourcen selbst, genauer gesagt, ihre digitalisierten Kopien, in unterschiedlichen Teilen der Welt aufbewahrt werden.

Das Prinzip des Crowdsourcings lässt es zu, alle Interessenten ins Projekt miteinzubeziehen. Die virtuelle Existenz der Plattform verwischt Grenzen zwischen Ländern und Kulturen, öffnet die Türen der Archive und der Bibliotheken, die unikale Materialien beherbergen, die dadurch im globalen Maßstab öffentlich zugänglich werden. Ist es nicht der Traum eines Wissenschaftlers?

Hauptgebäude (Politechnitscheskaja-Straße 29)

Die Technologie von Digital Humanities lässt es zu, im neuen Format der Zusammenwirkung und Erschließung von Informationen zu arbeiten. Dabei dürfen selbstverständlich die Anforderungen an die Autorenrechte und ethische Normen nicht vergessen werden.

Die Rechercheprozesse und das darauf folgende Zusammenbringen der in der Welt zerstreuten Struve-Materialien nehmen schon einige Jahre in Anspruch. Allerdings sollte jede zielgesetzte Bewegung einen Startpunkt haben. Wir hoffen sehr, dass die Anlegung dieser Pilotenversion der Internetplattform, die dem Leben und Werk von Struve gewidmet ist, zu diesem Startpunkt wird.

Die Bibliothek der Polytechnischen Universität bewahrt die Privatsammlung von Struve, im Universitätsmuseum findet man Artefakte zu seinem Leben auf dem Campus und zur Lehrtätigkeit am Polytechnischen Institut. Das werden die ersten Bausteine im Fundament des globalen digitalen Archivs, das Peter Struve gewidmet wird.

Die Polytechnische Universität hat schon bestimmte Erfahrungen im Transponieren von Papieren in die digitale Form. Die Bibliothek der Universität versteht sich als ein Archiv, das die kulturellen und wissenschaftlichen Nachlässe der Universitätsmitarbeiter digital abspeichert. Wir besitzen eine Dokumentensammlung zur Entstehungsgeschichte des Polytechnikums, Materialien eines der Gründer der Universität Sergej Juljewitsch Witte, die Arbeiten des ersten Universitätsrektoren, des Fürsten A.G. Gagarin.

Im Rahmen dieses vom Institut für Auslandsbeziehungen unterstützen Projektes entsteht eine neue digitale Kollektion «Die Bibliothek von P.B. Struve und sein Werk». Hier sind die ersten digitalisierten Materialien schon öffentlich zugänglich. Der erste Schritt auf diesem Wege ist bereits gemacht worden.